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Das Forum für die "alten Hasen". |
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Du zählst du den alten Hasen, wenn mindestens einer der folgende Punkte auf dich zutrifft:
- der Tod deines/r Lebenspartners/-partnerin schon einige Jahre her ist,
- Du schon länger bei verwitwet.de bist,
- Deine Themen sich inzwischen gegenüber der ersten Zeit geändert haben.
Hier kannst du (von jedem Besucher einsehbar) über die Themen sprechen, die in der Anfangszeit der Trauer vermutlich noch keine Rolle gespielt haben.
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Beitrag von
Mora (397 Beiträge) am Montag, 9.September.2019, 12:01.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Liebe Bluey,
Du hattest mir schon ins Postfach geschrieben, und wir werden uns ja dann auch hoffentlich bald persönlich kennen lernen.
Ich bin ja nun schon ein wirklich alter Hase, und ich kann Dir sagen - es wird besser! Aber es dauert, und es geht in Wellen. Mit der Zeit sind die Einbrüche nicht mehr so tief. Eine Regel gibt es nicht, jeder trauert anders. Manche gehen nach draußen, andere sitzen lieber im stillen Kämmerlein, bei manchen dauert es ein Jahr, bei anderen zehn und länger. Aber meistens - so meine Beobachtung - hat man sich nach fünf Jahren stabilisiert, was nicht heißt, dass die die Lebensfreude nicht schon viel früher wieder da sein kann. Es ist ein Prozess.
Bei mir war es so - mein Mann war dement, die akute Krankheitsphase dauerte nur zwei Jahre, aber es war eine sehr bedrückende Zeit (und im Grunde habe ich da schon vorgetrauert). Nach seinem Tod wurde ich überflutet von Erinnerungsschnipseln ... immer nur von der traurigen Zeit, ich konnte gar nichts dagegen tun. Offenbar war das nötig für den Trauerprozess. Heute erinnere mich nur noch an die schönen Dinge, er begleitet mich in meinem Alltag ... manchmal höre ich ihn zum Beispiel beim Wäscheaufhängen seine Kommentare machen in seiner typischen Berliner Art. Das bringt mir allerdings auch den Vorwurf ein, ich lebe in der Vergangenheit, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, denn das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich bin durchaus im Hier und Jetzt und freue mich über meine aktuellen Kontakte/Freundschaften. Und habe inzwischen auch das Schreiben für mich entdeckt, was ein Schwerpunkt in meinem Leben geworden ist. Aber allein fühle ich mich schon auch manchmal, ich kann es auch der langen Zeit manchmal immer noch nicht fassen, dass ich jetzt alleine im Leben stehe.
Bis bald, und sei lieb gegrüßt
Mora
PS. Wegen Stammtisch schreibe ich Dir noch was ins Postfach.
*** editiert von Mora am Montag, 09.09.2019, 12:02 ***
Dein Beitrag:
Beitrag von
Bluey (13 Beiträge) am Samstag, 7.September.2019, 16:15.
16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Als John, mein australischer Mann, vor 16 Monaten (sieben Monate nach der Diagnose Krebs) gestorben ist hätte ich nicht gedacht, dass ich jetzt immer noch so da hänge. Nach den ersten 6-8 Monaten schien es Anfang des Jahres aufwärts zu gehn'. Ich wollte wieder leben & ich wusste vom Kopf her dass es für mich weiter gehen darf & muss. Jetzt, drei Monate nachdem ich nach Berlin gezogen bin & wieder voll arbeite, häng' ich teilweise immer noch ziemlich durch. Was mir zu schaffen macht ist die große Leere denn die Beziehung & John fehlen mir einfach immer noch so sehr. Dabei komm' ich mit der Trauer insgesamt besser zurecht & kann sie jetzt - nach einem intensiven Jahr, das Gottlob hinter mir liegt - teilweise zur Seite schieben, d.h. die Trauer kommt nicht mehr so akut hoch. Was aber bleibt ist das Gefühl des Alleinseins, & der Sehnsucht. Auch weiss ich nicht ob & wann sich die frühere Leichtigkeit & die Lebensfreude irgendwann wieder einstellen. Würde mich freuen über eine Rückmeldung von anderen Betroffenen, denen es vielleicht ähnlich geht.
Beitrag von
Molly8 (348 Beiträge) am Samstag, 7.September.2019, 18:59.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Es dauert leider alles länger als uns lieb ist. Manchmal denkt man es ist gut und dann ist die Enttäuschung so groß, wenn die Welle wieder über uns schwappt. Es kostet viel Geduld und Kraft, die manchmal fehlt. In den vier Jahren bisher kam die Leichtigkeit und Lebensfreude wieder, nicht sehr lange aber deutlich zu spüren. Wenn es geht sei nicht so enttäuscht, wenn es wieder doof ist. Du hast geliebt, du hast vertraut, du hast auf dieses Lebenskonzept gebaut. Und dann war es zerstört, was erwartest du von dir in so kurzer Zeit? Ich binn zwar tief getroffen, wenn es wieder eine Negativwelle gibt, aber ich kann sie inzwischen akzeptieren und abbwarten, bis sie vorbei geht und werde irgendwie tätig. Manchmal hänge ich aber ganzz einfach. Dir liebe Grüße Marie-Luise
Beitrag von
Bluey (13 Beiträge) am Samstag, 7.September.2019, 23:39.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Danke, Molly, für deine Zeilen. Ja, weiss auch nicht was ich von mir da erwarte. Vielleicht das Unmögliche, gar ein neues Glück? Eine Schulter zum Anlehnen? Hatte halt irgendwie gehofft, dass sich mittlerweile eine andere, neue Perspektive auftut aber es heisst weiterhin aushalten, durchhalten & daran glauben, dass es auch wieder glücklichere Zeiten geben wird.
Beitrag von
Sammy2009 (542 Beiträge) am Samstag, 7.September.2019, 19:23.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Liebe Bluey, ziemlich genau so, wie Du es beschreibst, ging es mir auch. Mein Mann starb knapp 3 Monate vor Deinem SuperGAU. Mitte Juni im letzten Jahr hatte ich mich hier angemeldet und sofort Menschen in meinem Leben, die bis heute da sind. Im August, also ein halbes Jahr nach dem GAU dachte ich, das schlimmste überstanden zu haben – wie Du sagst: es schien aufwärts zu gehen. Aber das war ein Trugschluss. Es ging Anfang November bergab – steil bergab. Der vorläufige Tiefpunkt war kurz vor dem 1. Jahrestag und ich habe mich lange davon nicht erholt. Im Schneckentempo krabbelte ich aus dieser Untiefe und habe dabei erkannt, dass ich mich komplett übernommen hatte.
3 Wochen nach dem GAU bin ich letztes Jahr wieder arbeiten gegangen und war so mind. 12 Stunden täglich abgelenkt. Durch die berufliche Anspannung und Herausforderung hatte ich keine Kraft mehr für anderes. Nicht mal mehr eine „ordentliche Trauerarbeit“ habe ich geleistet. Eine Zeit großen Durcheinanders begann, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Das Einzige, was geblieben ist, ist das Wissen, dass ich mich neu verorten werde. Doch selbst hier verzögert sich alles Monat um Monat. Geduld ist das Zauberwort / die Eigenschaft, die wir alle lernen müssen.
Und ja – das Gefühl des Alleinseins und der unendlichen Sehnsucht begleiten auch mich Tag für Tag und es gibt Tage, da verursachen diese Gefühle massive körperliche Schmerzen. Liebe Bluey, es hilft uns alles nichts: wir müssen einfach lernen, diese Gefühle auszuhalten. Verdrängung bringt uns vielleicht kurzfristig Linderung, doch wenn die Art der Verdrängung weg gefallen ist, holt es uns mit noch größerer Macht wieder ein. Ich glaube, das Einzige, was mir auf Dauer Linderung bringen wird, ist in der Tat das Aushalten dieser Gefühle. Wenn sie auftauchen, dann wahrnehmen und ihnen Raum geben. Wenn es Tränen gibt, die einen See füllen, dann ist das eben auch so. Irgendwann werden wir Trost im Sonnenaufgang und Sonnenuntergang des Sees finden, der von unseren Tränen gefüllt ist.
Beitrag von
Bluey (13 Beiträge) am Samstag, 7.September.2019, 23:48.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Danke, Sammy, es tut mir gut zu hören, dass es dir ähnlich wie mir ergeht. Hatte mich die letzten Monate komplett von verwitwet.de zurückgezogen & tauche jetzt wieder aus der Versenkung auf. Ist halt doch tröstlich sich nicht erst groß erklären zu müssen & so fühl' ich mich direkt verstanden. Konnte mich heute Abend mit meiner Freundin über John unterhalten, das war schon so lange überfällig denn oft wird einfach gar nicht mehr darüber gesprochen wie er war: ein toller Koch, ein leidenschaftlicher Hobbygärnter, jemand der gerne & intensiv gelebt hat. Sich gemeinsam zu erinnern tut weh hat aber gleichzeitig eine lindernde Wirkung. Ja, der See der Tränen kommt immer noch leicht hoch & zeigt mir wie nah & lebendig er mir nach wie vor ist.
Beitrag von
rose2 (39 Beiträge) am Sonntag, 8.September.2019, 16:59.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Liebe Bluey, mir ist es ähnlich ergangen. Nach 10 Monaten kam das ganz tiefe Tal, ich fühlte mich wie in den ersten Tagen nach seinem Tod, habe tagelang geweint und nicht verstanden, was denn plötzlich los war. Mein Arzt sagte, es passiert ganz oft, dass Trauernde eine Art „Rückfall“ erleben und die ganz große Verzweiflung sie wieder einholt.
Wie auch Sammy2009 musste ich erkennen, dass ich im Überlebensmodus funktioniert und mich dabei total übernommen habe. Inzwischen habe ich gelernt, mir mehr Ruhe zu gönnen, auch wenn das manchmal bedeutet, traurig und voller Sehnsucht alleine zu Hause zu sitzen.
Im Oktober ist es ein Jahr her, einerseits habe ich Angst vor diesem Tag, andererseits bin ich froh, wenn dieser magische Punkt von einem Jahr erreicht ist. Auch wenn ich inzwischen, unter anderem aus den Beiträgen in diesem Forum, gelernt habe, dass damit der Wunschtraum, dass der Schmerz nachlässt, noch lange nicht erreicht ist.
Beitrag von
Bluey (13 Beiträge) am Sonntag, 8.September.2019, 17:21.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Danke für deine Antwort. Es tut mir leid in deinem Profil zu lesen dass du bereits zweimal deine geliebten Partner verloren hast & diese gestorben sind. Hatte übrigens auch gedacht dass es mit der Trauer erstmal besser werden würde wenn der erste Jahrestag dann erstmal vorüber ist. Die Tage davor waren auch schwer da sie mich an die letzten Momente bevor John endgültig gestorben ist, erinnerten. Der Tag selbst war nicht so schlimm wie erwartet. Hatte einen Kollegen gebeten mit mir zum Essen zu gehen (war zu der Zeit in Conakry auf Abordnung & wollte nicht alleine Abends sein). Das hat dann auch gut geklappt & ich war abgelenkt. Genau um den Todeszeitpunkt sah man in der Entfernung eine dunkle Regenwand aufziehen & es find an zu tröpfeln. Am Tag danach sprach mein Kollege mich dann drauf an & ich bestätigte ihm anhand der Fotos, die ich gemacht hab' dass es genau die Uhrzeit war als John gestorben war. Mit den besten Wünschen für dich, bin grad' echt froh dass es das Forum gibt da ich spüre dass ich doch noch einiges nicht ganz verdaut hab' & immer wieder neue Erinnerungen hochkommen.
Beitrag von
Mora (397 Beiträge) am Montag, 9.September.2019, 12:01.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Liebe Bluey,
Du hattest mir schon ins Postfach geschrieben, und wir werden uns ja dann auch hoffentlich bald persönlich kennen lernen.
Ich bin ja nun schon ein wirklich alter Hase, und ich kann Dir sagen - es wird besser! Aber es dauert, und es geht in Wellen. Mit der Zeit sind die Einbrüche nicht mehr so tief. Eine Regel gibt es nicht, jeder trauert anders. Manche gehen nach draußen, andere sitzen lieber im stillen Kämmerlein, bei manchen dauert es ein Jahr, bei anderen zehn und länger. Aber meistens - so meine Beobachtung - hat man sich nach fünf Jahren stabilisiert, was nicht heißt, dass die die Lebensfreude nicht schon viel früher wieder da sein kann. Es ist ein Prozess.
Bei mir war es so - mein Mann war dement, die akute Krankheitsphase dauerte nur zwei Jahre, aber es war eine sehr bedrückende Zeit (und im Grunde habe ich da schon vorgetrauert). Nach seinem Tod wurde ich überflutet von Erinnerungsschnipseln ... immer nur von der traurigen Zeit, ich konnte gar nichts dagegen tun. Offenbar war das nötig für den Trauerprozess. Heute erinnere mich nur noch an die schönen Dinge, er begleitet mich in meinem Alltag ... manchmal höre ich ihn zum Beispiel beim Wäscheaufhängen seine Kommentare machen in seiner typischen Berliner Art. Das bringt mir allerdings auch den Vorwurf ein, ich lebe in der Vergangenheit, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, denn das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich bin durchaus im Hier und Jetzt und freue mich über meine aktuellen Kontakte/Freundschaften. Und habe inzwischen auch das Schreiben für mich entdeckt, was ein Schwerpunkt in meinem Leben geworden ist. Aber allein fühle ich mich schon auch manchmal, ich kann es auch der langen Zeit manchmal immer noch nicht fassen, dass ich jetzt alleine im Leben stehe.
Bis bald, und sei lieb gegrüßt
Mora
PS. Wegen Stammtisch schreibe ich Dir noch was ins Postfach.
*** editiert von Mora am Montag, 09.09.2019, 12:02 ***
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Bluey (13 Beiträge) am Montag, 9.September.2019, 18:14.
Re: 16 Monate danach hatte ich gehofft irgendwie weiter zu sein
Danke, Agnès, die akuten tsunamiartigen Wellen der Trauer der ersten 10-12 Monate sind tatsächlich abgeflacht. Es ist mehr die große Leere, die sich breit gemacht hat, die mir zu Denken gibt & mir zu schaffen macht im Moment. Diese Woche geht's wieder aber das Gefühl des Verlassen- und Verlorenseins überkommen mich doch immer mal wieder & es fühlt sich einfach einsam an ohne Beziehung, gerade wenn man glücklich miteinander war. Das mit dem "Vortrauern" hab' ich auch so erlebt. Es ging direkt mit der Diagnose Ende September 2017 los als John & mir sofort klar war dass er den Krebs nicht überleben würde. Wir wussten es einfach, haben es instinktiv gespürt. Insofern begann meine Trauer & mein Abschiednehmen vor zwei Jahren & das Mitanschaun' - über sieben Monate - wie aus John, einem jugendlich aussehenden, großen Mann ein sterbender Krebspatient wurde, war einfach herzzerreißend. Das Schreiben hab' ich ebenfalls entdeckt. Hab' einen semi-privaten Blog & seit zwei Monaten auch eine Webseite: www.ichtrauer.de Sie soll anderen Betroffenen helfen weiter zu machen genau dann wenn's einem richtig schlecht geht.
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