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Beitrag von
schnatt931 (47 Beiträge) am Donnerstag, 8.April.2021, 15:01.
Stillstand
Hallo ihr lieben, solang ist es her als ich das letzte mal schrieb.
September 2017, Plötzlich Witwe mit 25 und Zwillingen. So hieß die Überschrift meines ersten Post's.
Diese Jahr werden es 4 Jahre.
Ich steh in meiner Entwicklung auf der Stelle, ich hab das Gefühl ich mache Rückschritte.
An 05.09.2017 ist nicht nur mein geliebter Steve gestorben sondern auch mein Altes "Ich" ich bin eine ganz andere Person. Ich bekomm es nicht hin irgendeine Bindung einzugehen. Emotional ( man muss nicht alles als Beziehung deklarieren)
Sobald ich mit jemanden mich gut versteh, und ich mich Versuche zu öffnen, kommt die Unsicherheit und ich brech alles ab.. obwohl nicht Mal was passiert.
Nach außen wirk ich unbeschwert, es ginge mir gut. Aber innerlich bin ich einsam obwohl ich es nicht bin.
Ich hab Schwierigkeiten mich zu öffnen, mein inneres offenbaren, aber das ist so wichtig um voranzukommen und nicht auf der Stelle stehen zu bleiben. Und um weiterzukommen ist eine andere Person nötig, die subjektiv beurteilen kann wieso ich nicht vorran komme.
Ich ärger mich über mich selbst. Jedes Mal aufs neue..
Dabei will ich mich weiter Entwickeln und nicht ewig in dieses Zustand verweilen.
Liebe Grüße
Vicky
Komplizierte Naricht, aber ich musste es irgendwo niederschreiben.es hat mir damals so geholfen meine Gedanken hier freien Lauf zu lassen.
Dein Beitrag:
Beitrag von
schnatt931 (47 Beiträge) am Donnerstag, 8.April.2021, 15:01.
Stillstand
Hallo ihr lieben, solang ist es her als ich das letzte mal schrieb.
September 2017, Plötzlich Witwe mit 25 und Zwillingen. So hieß die Überschrift meines ersten Post's.
Diese Jahr werden es 4 Jahre.
Ich steh in meiner Entwicklung auf der Stelle, ich hab das Gefühl ich mache Rückschritte.
An 05.09.2017 ist nicht nur mein geliebter Steve gestorben sondern auch mein Altes "Ich" ich bin eine ganz andere Person. Ich bekomm es nicht hin irgendeine Bindung einzugehen. Emotional ( man muss nicht alles als Beziehung deklarieren)
Sobald ich mit jemanden mich gut versteh, und ich mich Versuche zu öffnen, kommt die Unsicherheit und ich brech alles ab.. obwohl nicht Mal was passiert.
Nach außen wirk ich unbeschwert, es ginge mir gut. Aber innerlich bin ich einsam obwohl ich es nicht bin.
Ich hab Schwierigkeiten mich zu öffnen, mein inneres offenbaren, aber das ist so wichtig um voranzukommen und nicht auf der Stelle stehen zu bleiben. Und um weiterzukommen ist eine andere Person nötig, die subjektiv beurteilen kann wieso ich nicht vorran komme.
Ich ärger mich über mich selbst. Jedes Mal aufs neue..
Dabei will ich mich weiter Entwickeln und nicht ewig in dieses Zustand verweilen.
Liebe Grüße
Vicky
Komplizierte Naricht, aber ich musste es irgendwo niederschreiben.es hat mir damals so geholfen meine Gedanken hier freien Lauf zu lassen.
Beitrag von
Verzweiflu (6 Beiträge) am Donnerstag, 8.April.2021, 21:26.
Re: Stillstand
Hallo Vicky, wenn du magst schreibe mir doch mal eine Mail:
Beitrag von
Aufbruch (15 Beiträge) am Samstag, 10.April.2021, 16:42.
Re: Stillstand
Hallo Vicky
Ich halte es nicht für einen Stillstand. Oder Rückschritt oder was auch immer.
Wenn jemand einem so nahe kommt nach dem Verlust des Menschen der Nähe und all das über lange Zeit ausgefüllt hat kommt der Verlust mit allen tiefen Gefühlen wieder hoch. Die Unsicherheit, das Schaukelgefühl sind eine Seite der Trauer und des Vermissens.
Ich halte es persönlich für unmöglich dieses nicht zu empfinden wenn "diese" Nähe sich im neuen Gewand zeigt. Zack! und weil der Mensch so anders ist kann sich selbst etwas Gutes so falsch anfühlen.
Für eine echte Beziehung ist es glaub ich unverzichtbar darüber zu sprechen. Und für mich hoffe ich dass etwas evtl. Neues dann auch eine Chance bekommt stabiler zu werden. Dann haut es einen nicht mehr so um.
Ist man lang allein ist das "das neue Normal". Daran sind wir gewöhnt, das können wir emotional einschätzen. auch die schweren Trauerwellen die immer noch mal vorbeirollen kennen wir. Die schlimmen ersten Monate, Jahre sind stabiler geworden und es ist ein neuer Halt, eine neue Stabilität.
Dass es wieder schaukelt ist erst schlimm und die Flucht zurück in das Alleinleben ohne "Beziehung" scheint die einzige Lösung. Weil man das Bodenlose so satt hat und es nicht mehr (aushalten) will
Das Sich wieder öffnen braucht für viele Menschen mehr Zeit als in der Vergangenheit ohne Trauer, ohne Verlust. Manche dürfen es erleben aber was du beschreibst halte ich für einen Teil der Trauer und Echo des Verlusts.
Ich hoffe ich bin Dir nicht zu nahe getreten
Wenn man eine neue Liebe (oder andere Beziehung, Verhältnis o.ä.)erst eingehen kann wenn man das was du beschreibst nicht mehr fühlt beim Neukontakt müsste ich wohl alleine bleiben. Es scheint dazu zu gehören und "Augen auf, darüber reden und gemeinsam dadurch" wäre mein Wunschmotto. Für alle Eventualitäten des Lebens.
Liebe Grüsse Anja
Beitrag von
Sansibar (185 Beiträge) am Sonntag, 11.April.2021, 09:06.
Re: Stillstand
Moin Vicky, du denkst an Stillstand. Ich denke, du bist noch nicht so weit. Aber das ändert sich. Irgendwann bist du bereit eine neue Bindung einzugehen. Letztendlich ist das das Ziel von Trauerarbeit. Hab`Geduld mit dir. Vom Zaun brechen lässt sich nichts. Mir ging es nicht anders.Nach jetzt 6 Jahren sieht die Welt ganz anders aus.
LG Sansibar
Beitrag von
49Karin64 (344 Beiträge) am Montag, 12.April.2021, 14:57.
Re: Stillstand
*** editiert von 49Karin64 am Montag, 12.04.2021, 16:31 ***
Beitrag von
49Karin64 (344 Beiträge) am Montag, 12.April.2021, 15:01.
Re: Stillstand
Hallo Sansibar,
Ich halte es für fragwürdig, als Ziel der Trauerarbeit die Bereitschaft, eine neue Beziehung einzugehen, zu bezeichnen.Das kann individuell durchaus ein Ziel sein.Aber wenn es " das" Ziel ist, hätten ja alle, die diese Bereitschaft nicht entwickeln konnten( oder wollten) das Ziel verfehlt.Oder auch Witwer/innen, die gezielt keine Beziehung mehr eingehen wollen oder aus anderen Gründen keinen neuen Partner/ in gefunden haben.. Ziel der Trauerarbeit verfehlt??Jeder kann doch sein Ziel der Trauerarbeit nur individuell definieren und anzustreben versuchen.Und im Laufe des Prozesses kann sich das " Ziel" auch immer wieder verändern, je nach Alltagsrealitäten und eigener psychischer Entwicklung.Meines Erachtens ist " Trauerarbeit" in unterschiedlicher Intensität ein Prozess bis ans Lebensende.Gäbe es ein zu erreichendes Ziel, wäre damit der Prozess ja beendet.
Erich
Beitrag von
Nafets (674 Beiträge) am Montag, 12.April.2021, 21:49.
Re: Stillstand
Lieber Erich,
ich habe die Äußerung von Sansibar in einem doch engeren Zusammenhang gelesen - nämlich bezogen auf den Ausgangspost von Vicky (schnatt931), wonach sie gerne "Nähe" zulassen würde (!), also auch dieses Ziel gerne erreichen würde, aber es (noch) nicht schafft.
So gesehen glaube ich, dass Sansibar das "Beziehungsthema" darüber hinaus gar nicht hat verallgemeinern wollen - und so betrachtet seid Ihr vermutlich gar nicht anderer Ansicht.
Ganz herzl. Gruß in den SchwWald Stephan
Beitrag von
Sansibar (185 Beiträge) am Mittwoch, 14.April.2021, 09:00.
Re: Stillstand
Danke Stephan, genau so war es gemeint.
@vrwtwt15 Ich würde mein altes Leben nicht mit dem neuen vergleichen wollen. Deswegen stellt sich mir die Frage nicht, ob (m)ein anderes Leben besser oder schlechter ist. Es ist anders. Mir geht es wieder gut in meinem Leben.Das ist die Hauptsache.
Beitrag von
vrwtwt15 (4 Beiträge) am Dienstag, 13.April.2021, 11:02.
Re: Stillstand
Zitat: "Nach jetzt 6 Jahren sieht die Welt ganz anders (= besser) aus."
Das kann sein, muss aber nicht. Ich habe mir inzwischen abgewöhnt, Dinge zu erwarten, die bei anderen passiert sind oder nicht passiert sind. Mit dem stoischen Leitspruch "Bleibe ruhig und erwarte nichts" lebt sich's erheblich besser. In meinem Fall sieht es nach 6 Jahren schlechter aus als nach 4 Jahren, allerdings liegt das auch an der COVID-Pandemie. Vielleicht auch an mir selbst.
Beitrag von
conny2 (1571 Beiträge) am Dienstag, 13.April.2021, 12:20.
Re: Stillstand
In meinem Fall sieht es nach 6 Jahren schlechter aus als nach 4 Jahren, allerdings liegt das auch an der COVID-Pandemie. * Bei mir ist es nach der gleichen Zeitspanne gemischt. Äußerlich ist auch bei mir objektiv alles schlechter, weil mir vieles unwichtig geworden ist, das früher wichtig war und was sich v.a. in und an den Äußerlichkeiten zeigt. Innerlich fühle ich mich aber besser als früher, v.a. weil ich mich mit meiner verstorbenen Frau sogar noch enger verbunden fühle als früher.
Was Covid-19 anbetrifft, so bin ich einerseits bekümmert, weil ich natürlich mitempfinde, dass viele Menschen an der Pandemie und an den Einschnitten in ihr Leben und ihren Alltag leiden. Aber es ist wohl auch so, dass die Menschen vor allem darunter leiden, dass sie ihren Anspruch darauf, ihr Leben kontrollieren zu können und dass möglichst alles wie gewohnt verläuft, aus Gründen der Pandemie zumindest teilweise aufgeben müssen. Das ist bei mir nicht mehr so, denn diesen Anspruch habe ich bereits mit dem Tod meiner Frau aufgegeben. Covid-19 hat daher bei mir eher den Stellenwert einer Begleitmisere, die mir nicht mehr viel nehmen kann, schlicht, weil es schon vorher genommen wurde, was aber der guten inneren Bindung an meine Frau nicht schadet.
Beitrag von
vrwtwt15 (4 Beiträge) am Dienstag, 13.April.2021, 20:35.
Re: Stillstand
conny2, das hast du ganz wunderbar ausformuliert, und ich kann dem in vielen Punkten nur zustimmen. Seit COVID unser Leben bestimmt, ist auch mir Vieles unwichtig geworden - Äußerlichkeiten, Materialistisches, usw. Ich habe jedoch in diesem Jahr den christlichen Glauben wieder mehr für mich entdeckt - trotz weniger Möglichkeiten für reale Gottesdienste viel gelesen, meine persönliche Glaubenspraxis vertieft, die Bibel besser kennengelernt. Mir fehlen zwar viele Kontakte, und das schmerzt oft, aber die Zeit hatte für mich zumindest so auch diese gute Seite.
Beitrag von
conny2 (1571 Beiträge) am Mittwoch, 14.April.2021, 16:37.
Re: Stillstand
Danke, lieber vrwtwt15,
ja, der Glaube kann bei dem Versuch, Boden unter die Füße zu bekommen, sehr helfen. Mehr noch aber hilft dabei die über den Tod hinaus fortbestehende Liebe zu unseren Partner*innen. Ich habe dazu hier schon einmal etwas geschrieben, falls es Dich interessiert (Du musst eingeloggt sein, um es mit Erfolg anklicken zu können):
https://t1p.de/6h8q
Liebe Grüße, conny2
Beitrag von
vrwtwt15 (4 Beiträge) am Mittwoch, 14.April.2021, 18:58.
Re: Stillstand
Danke für den Link und den wertvollen Text!
Beitrag von
olive52 (74 Beiträge) am Mittwoch, 14.April.2021, 20:33.
Re: Stillstand
Hallo Conny, Der Link bringt leider nicht den angekündigten Beitrag. Dabei bin ich eingeloggt gewesen. Was isr evtl. noch zu beachten? Viele Grüße Werner
Beitrag von
conny2 (1571 Beiträge) am Mittwoch, 14.April.2021, 21:05.
Re: Stillstand
Fatal. Heute morgen ging es noch. Hier ist der Text: * Beitrag von conny2 (1568 Beiträge) am Donnerstag, 11.April.2019, 09:19.
Was bleibt, ist die Liebe
Der Tod, sagt der Psychotherapeut Roland Kachler, beendet das Leben eines geliebten Menschen, nicht aber die Liebe zu ihm. Die Liebe wolle weitergehen und nun auf eine andere Weise gelebt werden. Daher hält er das „Loslassen“ des Verstorbenen für das größte Missverständnis über die Trauer. Trauernde wollten den Verstorbenen nicht vergessen oder ihn gar ins Nichts, ins Leere, loslassen (1).
Es gibt freilich auch eine Gegenansicht, die meint, das Loslassen sei geradezu eine zwingende Voraussetzung für wahre Liebe. Deshalb müsse man sich nach dem Tod des Partners von der Vergangenheit befreien, von den Gegenständen, dem Schmerz, der uns durch die Erinnerungen überkomme, wie die Wogen, die unser wundes Herz umspülten. Lass los, lautet daher der Rat der Life Coaches, und trenne dich selbst und damit auch den Verstorbenen vom Schmerz der Trennung (2).
Ich muss bekennen, dass mir die letztere Ansicht nicht zusagt. Das Loslassen mag zu Lebzeiten der Partner seine Berechtigung haben, wo es gilt, sich nicht gegenseitig die Freiheit zu nehmen und den anderen nicht mit seiner Liebe zu erdrücken. Aber ich bezweifle, dass dies auch nach dem Tod der Partnerin/des Partners die richtige Sichtweise ist.
Die 1990 verstorbene Schriftstellerin Anne Philipe teilte nach dem Tod ihres Mannes ihre Erfahrungen bei seinem Leiden und Sterben mit, in dem Bemühen, darin einen Sinn ohne Gott zu finden, u.a. mit den bewegenden Worten (3):
„Ich habe dich zu sehr geliebt, um hinzunehmen, dass dein Körper verschwindet, und zu verkünden, dass deine Seele genügt und weiterlebt. Und wie soll man es anstellen, sie voneinander zu trennen und zu sagen: Dies ist seine Seele, und das ist sein Leib? Dein Lächeln und Blick, dein Gang und deine Stimme, waren sie Materie oder Geist? Beides, aber untrennbar.“
So dachte ich auch lange. Aber die Trennung ist ja nicht zu leugnen. Die Materie ist nicht mehr da. Und wenn Materie und Geist untrennbar sind, kann auch der Geist nicht mehr da sein. Aber seit es Menschen gibt, glauben sie, dass die Materie nicht alles ist. Woher wollen wir es besser wissen? Bekanntlich gibt es mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als Schulweisheit sich träumen lässt. Wenn es nach dem Tod überhaupt noch etwas gibt, dann ist es, abgesehen von zurück gelassenen Sachen, jedenfalls nichts Materielles. Wer das nicht gelten lässt, steht unweigerlich vor dem Nichts. Er muss sich ganz im Diesseits einrichten und hat es schwer, seine Liebe zu der/dem Verstorbenen weiter zu leben, jedenfalls wenn ihm die Erinnerungen nicht genügen.
Auf der Suche danach, wie es sein könnte, stieß ich auf eine Stelle im päpstlichen Schreiben Amoris Laetitia von Papst Franziskus, wo er sagt:
„Irgendwann während der Trauer muss man zu der Einsicht verhelfen, dass wir, wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben, immer noch eine Aufgabe zu erfüllen haben und dass es uns nicht gut tut, das Leiden in die Länge ziehen zu wollen, als sei das eine Huldigung. Der geliebte Mensch hat weder unser Leiden nötig, noch erweist es sich für ihn als schmeichelhaft, wenn wir unser Leben ruinieren. Ebenso wenig ist es der beste Ausdruck der Liebe, jeden Moment an ihn zu denken und ihn zu erwähnen, denn das bedeutet, von einer Vergangenheit abhängig zu sein, die nicht mehr existiert, anstatt diesen realen Menschen zu lieben, der sich jetzt im Jenseits befindet. Seine physische Gegenwart ist nicht mehr möglich, doch wenn der Tod auch mächtig ist: » Stark wie der Tod ist die Liebe « (Hld 8,6). Die Liebe besitzt eine Intuition, die ihr erlaubt, das Lautlose zu hören und das Unsichtbare zu sehen. Das bedeutet nicht, sich den geliebten Menschen so vorzustellen, wie er war, sondern ihn verwandelt anzunehmen, wie er jetzt ist. Als Jesu Freundin Maria ihn nach seiner Auferstehung fest in die Arme schließen wollte, bat er sie, ihn nicht anzurühren (vgl. Joh. 20,17), um sie zu einer anderen Art der Begegnung zu führen.“ (4)
Das hat mich sehr beschäftigt. Zum einen weil es anmahnt, dass wir uns nach dem Tod unserer Liebsten nicht aufgeben dürfen, weil die Trauer leider ja auch destruktive Verhaltensweisen in uns hervorbringt, zum anderen aber auch, weil es die Möglichkeit einer anderen Art der (Wieder-)Begegnung mit dem Verstorbenen andeutet, als die körperliche Begegnung, wie wir sie kannten und nach der wir uns sehnen. Selbst wenn Materie und Geist untrennbar sein sollten - warum halten wir uns nicht einfach an die Liebe?
So wie mir einleuchtet, dass die Liebe stärker ist als der Tod, eben, weil sie nicht mitstirbt, frage ich mich auch, wieso sie stärker sein sollte als der Tod, wenn sie am Ende doch nur ins Nichts führte? Das ergibt keinen Sinn. Mag der Tod auch die Liebe, wie wir sie vordem kannten und lebten, beendet haben, und mag uns der Schmerz darüber niederdrücken bis auf den Boden unserer Existenz, so ist dies doch nicht das Ende der Liebe, sondern die gewiss schmerzliche Hinwendung zu einer anderen Art der Begegnung mit dem Verstorbenen, und wobei es tröstlich ist, dass die Liebe das Lautlose zu hören und das Unsichtbare zu sehen vermag. Damit kann ich auch vereinbaren, dass es nicht nur um unsere eigene Liebe zu dem Verstorbenen geht, sondern auch um seine Liebe zu uns. Schließlich hat er uns bis zu seinem letzten Atemzug geliebt. Warum sollte er sich dort, wo er jetzt ist, von uns losgesagt haben oder sich dadurch eingeengt fühlen, dass wir ihn nach wie vor lieben und uns nicht von ihm trennen wollen? Ich jedenfalls habe keinen Grund zu der Annahme, dass mich meine Frau nicht mehr liebt. Darin finde ich Trost vor allem anderen, denn was wäre die Liebe, wenn wir sie zwar entgegenbringen aber nicht auch empfangen dürften?
Von diesem Ausgangspunkt her, können wir weiter leben, ohne auf die Liebe zu unseren Verstorbenen verzichten zu müssen. Aber wie liebt man einen Verstorbenen über das liebevolle Andenken an ihn hinaus und wie lieben Verstorbene uns? Tatsächlich gibt es dafür mehr Möglichkeiten als man zunächst denkt.
Gewiss müssen wir vieles entbehren, das uns lieb und teuer war. Den Sinneseindrücken fehlt die partnerschaftliche Entsprechung. Es gibt keine körperliche Nähe mehr, keine Berührung, keine Zärtlichkeit, kein liebevolles Necken, kein gemeinsames kulturelles Erleben, kein Wandern in der Natur, Hand in Hand. Der Alltag muss alleine organisiert und bewältigt werden. Einsamkeitsgefühle kommen auf, auch wenn wir uns ablenken oder sonst dagegen ankämpfen. Das alles erfahren wir schmerzlich, und ich rede mir nicht ein, es machte mir nichts aus. Das Alleinsein ist nicht schön, zumal, wenn einen auch noch das Alter zwickt. Trauer darf nicht einsam machen, wohl war. Einsame Menschen haben mitunter eine negative Ausstrahlung, sagt die Psychologin Maike Luhmann, was die Isolation verstärkt – eine Negativspirale (5). Darin möchte ich mich nicht um mich selber drehen. Also nehme ich das Leben dankbar an, obwohl mir das Alleinsein nicht gefällt. Ich habe vom Leben vieles geschenkt bekommen. Sein schönstes Geschenk, war die Liebe meiner Frau. Wie könnte ich undankbar sein?
Tatsächlich geht auch noch eine ganze Menge. Auch ich habe noch Aufgaben zu erfüllen. Als Freiberufler bestimme ich das Ende meiner beruflichen Aktivitäten zum Teil selbst. Ich habe Menschen um mich, die mich mögen. Ich gönne mir die eine oder andere Annehmlichkeit. Ich kann anderen helfen und nehme am Leben Anteil. Aber das Schönste ist die nie endende Liebe zu meiner Frau und ihre Liebe zu mir, die ich auch heute noch tagtäglich erfahre. Nur anders als früher, aber nach wie vor als ihr immerwährendes Geschenk an mich.
conny2
1) https://www.rundschau-online.de/interview-trauer-darf-nicht-einsam-machen-10232238 2) https://www.bettinahielscher.de/tod-akzeptieren/ 3) Anne Philipe, zitiert bei Yoric Spiegel in „Der Mechanismus der Inkorporation“: http://www.pkgodzik.de/fileadmin/user_upload/Trauerbegleitung/Inkorporation.htm 4) http://w2.vatican.va/content/dam/francesco/pdf/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20160319_amoris-laetitia_ge.pdf (s. daselbst S. 225) 5) https://www.zeit.de/2019/15/maike-luhmann-einsamkeit-psychologie-soziale-kontakte
Beitrag von
Clelia (124 Beiträge) am Donnerstag, 15.April.2021, 09:59.
Re: Stillstand
Joi,ich bin sprachlos - aus tiefstem Herzen Danke für Deine Worte, "Conny" ! Das alles werde ich noch ein paar Mal lesen und im Herzen bewegen, sozusagen. Dankeschön! Clelia
Beitrag von
yvba71 (1 Beitrag) am Donnerstag, 15.April.2021, 22:42.
Re: Stillstand
Dankeschön für die aufbauenden und sinnvollen Worte. Hat mich tief bewegt und auch ein Stück weitergebracht.
Yvonne
Beitrag von
marina71 (273 Beiträge) am Sonntag, 18.April.2021, 19:36.
Re: Stillstand
Lieber Conny,
auch ich fand deinen Beitrag sehr berührend.
Ich hoffe aber auch, du verzeihst mir, dass ich beim Lesen auch etwas schmunzeln musste, denn ich war es, die vor inzwischen bereits einigen Jahren mit dieser Passage aus Amoris Laetitia auf einen Beitrag von dir geantwortet hatte. Ich glaube mich zu erinnern, dass du damals nicht allzu viel damit anfangen konntest und auch in etwa sinngemäß geantwortet hast, da der Papst nicht nach langer Ehe seine Frau verloren habe, könne er wohl auch kaum diese Trauer nachvollziehen.
Diese Worte von Papst Franziskus scheinen dich aber doch nachhaltig beschäftigt zu haben - ich glaube, du hattest sie zwischenzeitlich schon das ein oder andere Mal zitiert - und du lehnst diese Gedanken nicht mehr so kategorisch ab wie damals. Und ich habe mich auch gefreut zu lesen, dass du noch Aufgaben zu erfüllen hast, am Leben anderer teilnimmst, ihnen helfen kannst, aber auch täglich die Liebe deiner Frau erfährst.
Die Zeit bringt unsere Verstorbenen nicht mehr wieder, sie heilt auch nicht alle Wunden. Aber manchmal erlaubt sie uns doch, einen anderen Blickwinkel zu bekommen und damit weiterzuleben.
Dir alles Gute und liebe Grüße Marina
Beitrag von
conny2 (1571 Beiträge) am Montag, 19.April.2021, 09:30.
Re: Stillstand
Liebe Marina,
so kann’s gehen. Ich weiß wohl, dass ich das Papst-Franziskus-Zitat zuerst bei verwitwet.de gelesen habe, aber ich wusste nicht mehr, dass Du es hier eingebracht hattest, sonst hätte ich es selbstverständlich erwähnt. Du hast auch völlig Recht damit, dass ich damals nichts damit anfangen konnte, und ich erinnere mich nicht sehr gerne an weitere rigorose Meinungen und Standpunkte, die ich damals hatte, insbesondere zum Thema „Neue Partnerschaft.“ Da bin ich mittlerweile viel weiter; weniger was mich selbst betrifft als im Verständnis für andere Meinungen und Haltungen. Dazu hat nicht zuletzt die Sichtweise von Papst Franziskus beigetragen, weshalb ich Dir sehr zu Dank für das Zitat verpflichtet bin und dafür, dass Du darauf aufmerksam gemacht hast.
Was mich an diesem Zitat lange beschäftigt hat, war nicht nur das Wachrütteln des Papstes im Hinblick darauf, dass wir als Verwitwete noch Aufgaben zu erfüllen haben und es nicht im Sinne Gottes ist, wenn wir in Trauer versinkend unser Leben ruinieren, sondern dass es noch eine andere durchaus lebens- und liebenswerte Art der Begegnung mit Verstorbenen gibt, als ihre körperliche Anwesenheit. Daran halte ich mich.
Auch Dir alles Liebe und Gute Conny2
Beitrag von
blackeyes (1582 Beiträge) am Dienstag, 13.April.2021, 14:53.
Re: Stillstand
Liebe Vicky,
ich denke, jede/r Trauernde hat seinen eigenen Rhytmus, seine Zeit, die sie/er dafür braucht, um das neue Leben auszuloten. So habe ich es auch längst aufgegeben - soll heißen eigentlich habe ich es nie praktiziert - , mich an den Vorgaben anderer zu orientieren. Jeder Mensch ist anders, hat andere Erwartungen, andere Ziele, blickt anders auf sein gelebtes Leben zurück.
Ob nun Gedanken an Stillstand oder was auch immer dich bewegen, wenn sie für dich eine große Last sind, dann brauchst du möglicherweise Hilfe. Aber diesen Gedanken würde ich persönlich zu allerletzt in Betracht ziehen.
Liebe Grüße blackeyes
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